Bevölkerungspolitik rettet die Umwelt nicht

PETER NIGGLI, GESCHÄFTSLEITER ALLIANCE SUD

peter-portrait-dani-rihs Kopie

Die Uno prognostiziert ein Wachstum der Weltbevölkerung von heute 7 auf 9,3 Milliarden Menschen im Jahr 2050. Das wird, wenn es denn so stattfindet, den Druck auf Landwirtschaftsböden, Wasser, Rohstoffe und Klima stark vergrössern. Dem will die Gruppe Ecopop mit einer Volksinitiative begegnen, die sie kürzlich eingereicht hat. Sie verlangt, die Nettoeinwanderung in die Schweiz auf durchschnittlich 0,2 Prozent pro Jahr zu begrenzen. Zudem sollen zehn Prozent des Entwicklungshilfebudgets „zur Förderung der freiwilligen Familienplanung“ in armen Ländern eingesetzt werden.

Die Initiative verspricht etwas, was sie nicht halten kann. Die vorgeschlagene Begrenzung der Bevölkerung in der Schweiz reicht bei weitem nicht aus, um den grossen ökologischen Fussabdruck unseres Landes zu reduzieren. Dieser ist nach Angaben des Bundesamts für Statistik viermal so hoch wie die Biokapazität der Schweiz. Unser nicht nachhaltiger Lebensstil hängt vom Import natürlicher Ressourcen und ökologischer Dienstleistungen aus dem Ausland ab. Möchte man die Umweltbelastung durch die Zahl der Menschen in der Schweiz regulieren, müsste die gegenwärtige Bevölkerung bei gleichbleibendem Konsum auf einen Viertel gesenkt werden. Davon steht in der Initiative nichts. Die Initianten versichern zwar, sie unterstützten alle Bemühungen, die hiesige Umweltbelastung pro Kopf zu reduzieren. Nur bringen sie das nicht zur Abstimmung.

Ecopop unterschlägt zudem die weltweit krassen Unterschiede im Ressourcenverbrauch. Die Bevölkerung der USA emittiert, um ein Beispiel zu nehmen, pro Jahr und Kopf 18.9 Tonnen CO2, also gut dreizehn Mal mehr als diejenige Indiens mit 1.4 Tonnen. Die 311 Millionen Menschen umfassende amerikanische Bevölkerung „belastet“ die Welt ökologisch also ebenso stark, wie es 4.2 Milliarden Inder tun würden. In Wirklichkeit zählt die indische Bevölkerung allerdings nur 1.2 Milliarden Köpfe.

Die Unterschiede im Ressourcenverbrauch sind mit den globalen Wohlstandsunterschieden verknüpft. 2005 verfügte das reichste Zehntel der Menschheit, zu dem wir gehören, über 56 Prozent des Weltwirtschaftsprodukts; die arme Hälfte der Weltbevölkerung hingegen über weniger als 7 Prozent. Ihr Anteil an der globalen Umweltbelastung ist äusserst gering. Trotzdem sind es diese Milliarden, deren Vermehrung die Ängste schürt, auf welche die Initianten im Abstimmungskampf setzen werden.

Zielführender ist es unseres Erachtens, die unbestreitbaren ökologischen Probleme der Welt direkt und an der Wurzel anzugehen, nicht über die Bevölkerungspolitik. Es geht darum, eine Produktions- und Konsumtionsweise zu ändern, die heute schon die regenerative Kapazität unseres Planeten um eine halbe Erde übersteigt. Dächten wir hingegen die Ecopop-Idee zu Ende, müssten wir die radikale Reduktion der Bevölkerungen der reichen Länder und der besitzenden Klassen in den armen Ländern anstreben, welche die Ressourcen am stärksten belasten.

Kommen wir zur Familienplanung, mit der Ecopop den „Bevölkerungsdruck“ in den armen Ländern mindern will. Die Entwicklungszusammenarbeit leistet auf diesem Gebiet einiges, allerdings mit anderer Begründung und Zielsetzung. Den Entwicklungsorganisationen geht es nicht um „Bevölkerungspolitik“, sondern darum, die Lebenschancen der Benachteiligten zu verbessern. Deshalb investieren sie in die Bildung von Mädchen und Frauen, in die Gesundheit von Kindern und Müttern, in die gesellschaftliche Emanzipation aus Elend, Diskriminierung und Unterdrückung. Diese Anstrengungen haben in vielen Ländern zu einer Abnahme der Geburtenraten geführt, die immer noch im Gang ist. Sie sind auch Voraussetzung dafür, dass die Frauen gegenüber ihren Männern und Familien Verhütungsmittel und -techniken durchsetzen können. In diese Arbeit fliessen bereits heute mehr als zehn Prozent des Entwicklungsbudgets, und das ist auch richtig so.

Hinterlasse einen Kommentar